Regie-Rückblick 2019

verfasst von Lilith Kugler

Festivals, Fachtagungen, Firmengründung, Verleihförderung, neuer Support durch die Open Society Foundations, Kinostart, Kinotour in Deutschland und in Burkina Faso mit Protagonisten… Ein ereignisreiches und lernintensives aber auch durchaus erfolgreiches Jahr geht zu Ende. Noch vor einem Jahr hätte ich niemals gedacht, heute rückblickend über einen Kinostart berichten zu können! Denn dieser war eigentlich gar nicht geplant… Den entscheidenden Impuls gab es im Februar auf dem Snowdance Independent Film Festival in Landsberg. Die Auszeichnung ‘Best Documentary’ sowie das Seminar der Münchner Filmwerkstatt zum Eigenverleih brachten die nötige geballte Motivation und Know-How an nur einem Wochenende. Nach diesem wusste ich, welcher Aufgabe ich mich und das Jahr 2019 widmen würde. Denn irgendwie ist es schade, so einen weiten Weg zu gehen, und dann den Film nicht an ein größeres Publikum zu bringen.

Zugegeben, die Zielgruppe ist klein, das Thema speziell und der Film sicherlich kein Kassenschlager. Über 1000 Besucher in deutschen Kinos, im Vergleich zu manch anderem Film ist der Kinostart von “Die Krankheit der Dämonen” ein Witz. Und doch für sein Anliegen genau der richtige Ansatz. Denn wer schaut sich schon zufällig einen Film zu psychischer Gesundheit in Westafrika an? 23 Einzeltermine mit Filmgesprächen in Kooperation mit Vereinen, Kliniken, Stiftungen – das ziemlich vorbereitungsuntensive Konzept zahlte sich aus. Es gab unglaublich spannende Filmgespräche, und schöne Momente. Wie z.B. in Erfurt, als der Moderatorin des Tühringer Landesverbands für Psychiatrieerfahrene nach dem Film die Worte fehlten, und sie den Protagonist Tankpari Guitanga fragte, ob sie ihn als Zeichen der Dankbarkeit umarmen dürfe. Die Rückmeldung junger Studierender, die durch den Film eine ganz neue Motivation für ihren Beruf erhalten haben, und die Wertschätzung vieler Menschen für den Film und die Arbeit unserer Freunde in Burkina Faso. Protagonist Tankpari Guitanga blickt sehr positiv auf die Kinotour zurück.

Zunehmende Aufmerksamkeit für das Thema führten auch zu zunehmender Unterstützung der Arbeit in Burkina Faso. Die Populatität des Vereins vor Ort wächst weiter und es ist die Einstellung einer zweiten psychiatrischen Fachkraft sowie die Fertigstellung einer Herberge für die PatientInnen und eine Anerkennung als staatlische Gesundheitseinrichtung in Aussicht. Sogar aus der Hauptstadt Ouagadougou sind Menschen zur Sprechstunde nach Piéla gekommen! Für mehr Neuigkeiten dieser Art lohnt ein Besuch auf der neuen Homapage des Freundeskreis Yenfaabima: www.yenfaabima.de .

Es ist unglaublich, was alles entstanden ist. Von Fachkongressen und Podiumsdiskussionen über Spendenkonzerte bis hin zu einer Audienz beim Botschafter von Burkina Faso in Berlin. Zudem die Erfahrung, dass er Film auch in Burkina Faso funktioniert und nun aktiv zur Aufklärungdarbeit vor Ort beitragen kann. Wie könnte es besser laufen? Doch die Lage psychisch und epileptisch Erkrankter mag uns nach wie vor ohnmächtig fühlen lassen – und die Arbeit von Yenfaabima mag wie ein Tropfen auf dem heißen Stein erscheinen. Auch ich denke mir beim wiederholten Anschauen so oft, wie denn diese perversen Kontraste tatsächlich in der heutigen Welt – bis ins Jahr 2020 noch existieren können. Was für eine Freakshow! Ich werde wütend, wenn ich an den ‘Heiler’ denke, der es zulässt, dass kleine Kinder Steine auf seine angeketteten ‘Patienten’ werfen. Der Mütter mit ihren Kindern an einen Baumstamm bindet. Der eine Frau ohne Kleidung in ihrer Hütte vegetieren lässt. Der Menschen ohne Schatten in der heißesten Zeit im Buschland zurücklässt, und sich Menschenmengen an ihnen belustigen wenn diese schreien. Gefangene Menschen, an denen die Ziegen, Schweine und Hühner frei vorbeispazieren. Was für ein krankes Bild!

Doch Raum für Ohnmacht gibt es nicht – dafür gehen Tankpari Guitanga und Timothée Tindano mit gutem Beispiel voran. Als Pfarrer und Krankenpfleger arbeiten sie an dem, was in ihrem Umfeld getan werden kann und im Rahmen ihrer Möglichkeiten und Kompetenzen steht. Für mich war es mein persönliches Äquivalent, diesen Film zu machen – ebenfalls das nächste Mögliche und Logische. Dass er mich für über drei Jahr beschäftigen würde, hätte ich anfangs nicht für möglich gehalten. Im Rückblick kann ich aber sagen, dass sich diese Arbeit in vielerlei Hinsicht – wenn auch nicht primär finanziell – glohnt hat. Und noch ist sie nicht zu Ende. Im nächsten Jahr stehen weitere Termine in deutschen Kinos und beim Dutch Global Health Film Festival an – zudem ist im Frühjahr eine DVD geplant. Vielen Dank an alle, die sich auf den diversesten Wegen für den Film und für Yenfaabima engagiert haben. Ihr schafft Hoffnung für eine bessere Zukunft.

Jedes mal, wenn Tankpari kurz vor dem Abspann mit seinem Auto auf der Leinwand die Straße gegen Horizont fährt, muss ich schmulzeln. Vor meinem inneren Auge hatte ich mir beim Dreh vorgestellt, dass das Auto an der Kamera vorbeifährt, und dann einfach gleichmäßig immer kleiner wird. Doch dabei habe ich den Zustand der burkinischen Piste nicht einberechnet. Er fährt flott vobei, bremst dann aber immer wieder ab, fährt Schlangenlinien, beschleunigt, bremst wieder – er braucht unglaublich lange. Die Straße ist voller Hindernisse, voller Löcher und Unebenheiten. Was erst nicht zu meiner Vorstellung passte, visualisiert aber perfekt die ausdauernde, unbeirrte Haltung, die Umwege in Kauf nimmt – weil sie oftmals der einzige Weg sind – ohne dabei die Richtung aus den Augen zu verlieren. Eine perfekte Schlussszene.

Es bleibt nicht viel mehr zu sagen, als meine Wünsche für eine gutes neues Jahr 2020 und wie es auch am Filmende so schön heißt: Vielen Dank für eure Aufmerksamkeit.

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